Wangener Seelen

Ein Allgäuer Traditionsgebäck

Was auf den ersten Blick aussieht wie ein zu kurz geratenes Baguette, heißt im Allgäu „Seele“. Woher der Name kommt, weiß niemand so genau. Sicher ist aber, dass die Seelen in Wangen ganz besonders lecker schmecken…

Seelen sind wie Allgäuer – sie haben Ecken und Kanten und sind am Anfang eher verschlossen. Das merkt man gleich beim ersten Biss. Erst knirscht es, dann kracht es, dann wird es köstlich knusprig. Ganz frisch schmecken Seelen freilich am besten. „Richtig rösch“ so mögen es die meisten am liebsten. Jeder Bäcker in Wangen hat jedoch sein ganz eigenes Rezept für das beliebte lange Kleinbrot mit dem zweideutigen Namen.

Die Wangener Bäcker formen fachgerecht die Seelen – nicht zu lang, nicht zu kurz und von Hand mit Salz und Kümmel bestreut. So sieht jede am Ende ein bisschen anders aus. Mal in der Mitte schlank und an den Enden knuffig, mal mit flachen, krossen Ecken, mal eher gleichmäßig.

Ab halb drei Uhr nachts werden Fetzen aus der Teigmasse gerupft hat. „Ausbrechen“ heißt der Vorgang, bei dem der Bäcker genau die richtige Portion von dem großen Haufen in der Wanne trennt, sie langzieht und in eine mit Salz und Kümmel bestreute Delle eines langen Holzlöffels drückt. Rein in den Ofen, Holzlöffel mit Dellen umdrehen, die Seele auf eine heiße Steinplatte kippen, bei 250 Grad 20 Minuten backen – fertig.

Unvergleichlich wenn es morgens in den Gassen von Wangen noch dunkel ist und es nach frischem Brot und warmen Brezeln duftet.

Ein Brot nur für Allerseelen

Obwohl der tatsächliche Ursprung ein Rätsel ist, gibt es doch zahlreiche Theorien zur Seele. Die wahrscheinlichste stammt aus dem christlichen Glauben, der im Allgäu weit verbreitet ist und so manchen Begriff prägte. Demnach gibt das Museum der Brotkultur in Ulm an, dass es die Allgäuer Seelen früher nur zu Allerseelen ab. Zwar wird das Allerseelenfest erst seit 1006 gefeiert und Seelen gab es schon viel früher, aber der Ursprung des Feiertags liegt auch viel weiter zurück und entspringt einem alten Totenbrauch.

Das Volk glaubte, es müssen den Toten ein Opfer bringen – und zwar in Form von Nahrung. „Diese Allerseelenopfer wurden dann in Gaben an Arme und Kinder umgewandelt“, heißt es in einem Museumstext. Also vermutet man, dass der Name „Seele“ schlichtweg mit diesem Feiertag zusammenhängt.

Anderes erzählt eine Volksweisheit: Ein Bäcker hätte zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges in Ravensburg das Gelübde abgelegt, jedem Bettler jedes Jahr zu Allerseelen ein Brot zu schenken, wenn die Pest an Ravensburg vorbeiziehen würde. Aus dem großzügigen Versprechen wurde aus schwäbischer Sparsamkeit die schlanke Seele. Brot ist Brot. Außerdem war die längliche Form praktisch, dann musste man bei der Übergabe an die Armen nicht so nahe ran.

Bei allen Spekulationen ist sich Dr. Rainer Jensch vom Stadtarchiv in Wangen sicher, dass der Begriff „Seele“ mit dem Seelbrot zusammenhängt, das über den Gräbern an die Armen verteilt wurde. Seine Unterlagen belegen, dass es im Mittelalter und der frühen Neuzeit viele Jahrtagsstiftungen in Wangen gab. „Die Gläubigen richteten eine Stiftung ein, damit sie sicher sein konnten, dass jemand für sie betete“, sagt der Wangener Stadtarchivar.

Zwar geriet die Verteilung des Seelbrotes in Vergessenheit, der Begriff „Seele“ aber blieb. Zum Glück. Das fand auch ein ehemaliger Wangener Bürgermeister und ließ auf dem alten Friedhof hinter der St. Martins-Kirche ein Denkmal für das Seelbrot errichten.

Bei diesen Bäckern gibt es die Wangener Seelen

Fidelisbäck – Fidelis 1505
Paradiesstr. 3
88239 Wangen

Bäckerei Huber
Schmiedstr. 2/1
88239 Wangen

Bäckerei Vogel
Lindauer Str. 43
88239 Wangen

Bäckerei Mayer
Bindstr. 27
88239 Wangen

Bäckerei Schwarz
Herrenstr. 23
88239 Wangen